Münchner Opernfestspiele 2024 und "Oper für alle": Infos zu Programm und Tickets (2024)

Wenn die acht mächtigen Säulen, die so wacker den Portikus des Nationaltheaters tragen, kunstfertig neu eingekleidet werden, wenn der rote Teppich zum Ausrollen bereitliegt, wenn vor dem Pförtner-Ausgang an der Maximilianstraße mehr gestresste Bühnentechniker als sonst eine schnelle Zigarette ziehen, dann ist es wieder so weit: In München beginnen die Opernfestspiele. Eine spektakulär große Sause steht wohl erst 2025 an, wenn das Jubiläum „150 Jahre Münchner Opernfestspiele“ gefeiert wird. Von einer Sparausgabe heuer kann aber wirklich keine Rede sein. Start ist am Freitag, 28. Juni, mit der Premiere von György Ligetis Opern-Welttheater „Le Grand Macabre“, was keine Anspielung auf jüngste Ereignisse am Haus sein soll. So wird der frisch vertragsverlängerte Staatsintendant Serge Dorny gewiss wieder Bayerns Kunstminister Markus Blume am roten Teppich abholen. Aber auch alle anderen Opernfreunde sollten sich willkommen fühlen.

Stars der Stunde

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Opernfestspiele brauchen Stars – und solche, die es demnächst werden. Die Bayerische Staatsoper kann mit beidem aufwarten. Bei den Sängerinnen kommt die aktuell höchst gehandelte Sopranistin, Asmik Grigorian, zumindest für einen Liederabend nach München. Weltweit auf den Bühnen gefragt ist auch Lise Davidsen. Sie übernimmt die Partie der Lisa in Tschaikowskis „Pique Dame“, eine Neuinszenierung, in der Grigorian zuletzt glänzte. Große Namen sind zudem Nina Stemme („Parsifal“), Marina Rebeka („Il trovatore“), Violeta Urmana („Elektra“), Diana Damrau („Fledermaus“) oder Sophie Koch. Die französische Mezzosopranistin ist in der Festspielpremiere von „Pelléas et Mélisande“ dabei, singt aber auch in Mieczysław Weinbergs „Die Passagierin“, wo das Publikum zuletzt von der jungen Elena Tsallagova als Marta absolut hingerissen war. Auch die neue Münchner Tosca, Eleonora Buratto, ist eine Offenbarung.

Bei den Sängern ist Jonas Kaufmann angekündigt (Liederabend, „Tosca“), Edelbariton Ludovic Tézier (ebenfalls „Tosca“ und ein Liederabend) ist zu hören. Michael Volle singt in „La fanciulla del West“. Auch der allzeit verlässliche Klaus Florian Vogt wird am Start sein – und der herrliche Andrè Schuen (beide „Tannhäuser“). Ihn möchte aktuell auch jedes Haus haben.

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Premieren der Saison

Wem es gar nicht zusagt: Nach einer Stunde und 50 Minuten, ohne Pause, ist alles überstanden. Aber dabei gewesen sein sollte man schon, am 28. Juni, bei der Münchner Erstaufführung von György Ligetis „Le Grand Macabre“ an der Bayerischen Staatsoper. Zumal einer wie Krzysztof Warlikowski inszeniert, und der ehemalige Generalmusikdirektor Kent Nagano am Pult steht. Worum es überhaupt geht? Um die Apokalypse, und das zu einer im wörtlichen Sinne Irrsinnsmusik. Klanglich gewiss eine Wohltat dagegen, aber halt auch nicht zu vergleichen, ist Claude Debussys „Pelléas et Mélisande“, ein nicht minder rätselhaftes Werk nach einem Theaterstück von Maurice Maeterlinck. Die niederländische Regisseurin Jetske Mijnssen gibt ihr Hausdebüt.

Abgesehen von diesen beiden mit Spannung erwarteten Festspielpremieren zeigt die Bayerische Staatsoper noch einmal die Neuproduktionen der Spielzeit 2023/24: „Le nozze di Figaro“, „Die Fledermaus“, „Pique Dame“, „Die Passagierin“ und „Tosca“.

Wagner, Puccini und die anderen

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Um die „unterschiedlichen Liebeskonzeptionen“ bei Wagner und Puccini soll es gehen, heißt es im Editorial im Festspielheftchen. Klingt schwer nach Dramaturgen-Sprech, ist aber trotzdem spannend: Parsifal und Kundry, Tannhäuser und Elisabeth, verglichen mit Cavaradossi und Tosca, oder Dick Johnson und Schankwirtin Minnie, die in Puccinis „La fanciulla del West“ Walküre-gleich angeritten kommt, um ihren Lover vor dem Tod am Galgen zu retten. Puccini war also offensichtlich Wagner-Fan. Bezüge hin oder her, mit all diesen Opern gibt’s zu den Festspielen ein Wiedersehen. Und man kann sich einmal mehr fragen, ob Georg Baselitz’ Bühnenbild für den „Parsifal“ der große Wurf war, ob die barbusigen Bogenschützinnen in Romeo Castelluccis „Tannhäuser“ auch nur ansatzweise anstößig sind, oder ob es die neue „Tosca“ von Kornél Mundruczó wirklich gebraucht hätte. Am besten aber, man erfreut sich einfach an der wunderbaren Musik. Weitere Perlen aus dem Staatsopern-Repertoire, für die aus dem Lager in Poing die Bühnenbilder angefahren kommen: „Il Trovatore“, „Idomeneo“ und „Elektra“.

Sing ein Lied

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„Wenn das Lied den Sänger singt.“ In seinem jüngsten Buch zum Kunstlied beschreibt Ian Bostridge, ein Meister seines Fachs, diesen geradezu „unheimlichen Moment“, der nur selten zu erleben ist. Womöglich bei den Festspielen? Denn große Stimmen sind in diesem vielleicht persönlichsten, intimsten Genre der Klassik in München am Start: Asmik Grigorian oder Super-Counter Jakub Józef Orliński, der mit seinem langjährigen Liedbegleiter Michał Biel zeigen wird, was es an großartigem polnischem Liedgut gibt. Bariton Ludovic Tézier serviert ein deutsch-französisches Programm. Golda Schultz macht das Publikum mit einem Liederzyklus der Librettistin Lila Palmer und der südafrikanischen Komponistin Kathleen Tagg bekannt. Sie singt aber auch Clara Schumanns Werke, deren Mann Robert ist der Liederabend von Christian Gerhaher und Gerold Huber gewidmet. Und Jonas Kaufmann und Helmut Deutsch? Bei denen ist das Programm wie immer ein Überraschungsei.

Letzte Tänze

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Das Staatsballett macht früher als die drüben im Nationaltheater sein Stammhaus am Platzl dicht und entschwindet in die Theaterferien. Bei den Festspielen aber zeigt die Compagnie noch einmal ein paar große Würfe der Saison: den Triple-Abend, der ältere Choreografien von Nacho Duato und Sharon Eyal mit einer Neukreation von Andrew Skeels zusammenführt. Dann John Crankos Oldie „Onegin“, die Wiederaufnahme im Januar mit vielen Rollendebüts war die reine Freude. Etwas kritischer gesehen wurde Angelin Preljocajs „Le Parc“, dessen stilisierte Tanzsprache Barockelemente mit dem 1990er-Stil verbindet. Münchens heutiger Ballettdirektor Laurent Hilaire tanzte 1994 die Uraufführung in Paris. Für die Festspiele hat er Angelin Preljocaj eine schöne Aufgabe anvertraut. Er hat die Reihe „Sphären“ kuratiert: Im Cuvilliés-Theater ist nun an vier Abenden sein eigenes „Un trait d’ union“ zu erleben, eine Kreation aus dem Jahr 1989 für zwei Tänzer zu Glenn Goulds ikonischer Interpretation von Bachs Klavierkonzert Nummer 5. Gespiegelt wird das Stück mit zwei ganz neuen Werken, Edouard Hues „Skinny Hearts“ und Emilie Lalandes „Le Spectre de la Rose“.

Das Drumherum

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Auftritt, Oper, Vorhang, Verbeugen, Applaus – und alle gehen beseelt nach Haus. Mit diesem Pflichtprogramm kommt im heutigen Opernbetrieb kaum mehr ein Haus durch. Eigentlich schon seit Jahrzehnten reichert die Bayerische Staatsoper ihren Spielplan mit einem Rahmenprogramm an, mit Aktionen, die hinaus in die Stadtgesellschaft wirken. In jüngster Zeit – unter der Intendanz von Serge Dorny – zeigt man sich besonders kreativ, auch während der Festspielwochen.

Konsequent niederschwellig, im Grunde aus der Bachler-Ära übernommen, ist die Stufenbar auf den Treppen der Staatsoper. Dort können alle einen Drink nehmen, auch wenn ihnen das Geschehen drinnen möglicherweise schnurzpiepe ist. Es gibt spezielle „Apollon Stufennächte“, mit Musik und Flüssigkeiten (bis 31.7.).

Zu empfehlen für bereits opernaffine Menschen sind die Festspiel-Kammerkonzerte in ungewöhnlichen Besetzungen, die vielen klugen Vorträge im Freunde-Foyer (vor den Vorstellungen) und auch die Reihe „sehend hören“. Die führt diesmal in die Alte Pinakothek, wo die Oper „Le Grand Macabre“ in Beziehung zu speziellen Kunstwerken gestellt wird (2. und 5.7., 18 und 17 Uhr). Und dann ist da noch das Quartett der Kritiker, die beweisen, dass Nerd-Talk über klassische Musik mitunter immens unterhaltsam sein kann (24.7., 16.30 Uhr, Rheingoldbar). So hat etwa Quartett-Mitglied Kai Luehrs-Kaiser Jonas Kaufmann schon mal „kermithaftes“ und „phallisches Singen“ attestiert (in der Kultsendung „Blindverkostung“, RBB).

Noch gibt’s Karten

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Geben die Menschen, nach der Pandemie und in der gegenwärtigen Krisenstimmung, noch Geld für Theater- oder Opernbesuche aus? Eine Frage, die sich nicht allgemeingültig beantworten lässt. Auch nicht für München, das mit seiner großen Tradition und auch dem Wohlstand vieler seiner Bürger gewiss resilienter dasteht, was den Publiku*msschwund angeht. In die Staatsoper zumindest ist das Publikum zurückgekehrt. Hört man. Das bedeutet aber längst nicht, dass kurz vor Start oder auch während der Festspiele Karten nur mehr schwer zu bekommen sind.

Im Gegenteil, selbst für Vorstellungen der beiden Premieren des Festivals, „Le Grand Macabre“ und „Pelléas et Mélisande“, sind noch Karten zu haben, offenbar warten die Münchner da erst das Kritiker-Votum ab. Und auch der Liederabend von Jonas Kaufmann ist noch nicht gänzlich ausverkauft, ebenso die Wagner-Opern „Pasifal“ oder „Tannhäuser“. Ein Last-Minute-Besuch ist auch da kein Problem. Eng wird’s bei den Auftritten des Staatsballetts, da ist wenig bis gar nichts mehr zu haben. Ein klares Nichts-geht-mehr im Vorverkauf gilt für die Liederabende von Asmik Grigorian und Jakub Józef Orliński und die Vorstellungen von „Tosca“ (kostenlos aber bei „Oper für alle“). Wie immer aber lohnt auch in diesen hoffnungslosen Fällen ein Anruf bei der Tageskasse (Telefon 21 85 19 20) oder ein Blick in die Kartenbörse der Staatsoper (www.kartenboerse.staatsoper.de).

Und wahre Fans haben ohnehin kein Problem damit, nahe am rechten Treppenaufgang unter dem Portikus unverzagt mit einem „Suche Karte“-Schilderl auszuharren und auf das Glück zu hoffen.

Und Jonas für alle

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Oper für alle: Heuer, gegen Ende der Festspiele am 27. Juli, gibt es „Tosca“ für alle, vor allem aber Jonas für alle. Wer da einen Déjà-vu-Blitz hat, liegt goldrichtig. Weiter Blick zurück auf Samstag, 10. Juli 2010: Das Wetter ist fein, wer in München nicht bei einem Public Viewing die deutsche Mannschaft gegen Uruguay anfeuert (Fußball-WM in Südafrika, am Ende ein 3:2-Sieg), sitzt auf dem Max-Josef-Platz. Dort gibt es ein paar Buhs für Intendant Nikolaus Bachler, weil sich der gerade seines Generalmusikdirektors Kent Nagano entledigt. Noch weiß das Münchner Publikum nichts von den goldenen Jahren, die ihnen dessen Nachfolger Kirill Petrenko bescheren wird. Das Wichtigste aber an diesem Abend: Jonas Kaufmann singt und spielt den Cavaradossi in Luc Bondys „Tosca“. Hingerissen sind die Münchner, und es hat sich herumgesprochen, dass ihr Startenor auch noch Geburtstag hat. Als er nach dem Schlussapplaus vors Haus tritt, singen sie ihm ein Ständchen.

Geburtstag hat Jonas Kaufmann dieses Mal also nicht, 55 Jahre ist er dann mittlerweile, und hat die Partie immer noch drauf wie kein Zweiter. Bei „Oper für alle“ springt er in die Inszenierung von Kornél Mundruczó, die zumindest für Freude des italienischen Films eine Freude ist, und natürlich auch wegen der famosen Eleonora Buratto als Floria Tosca und Kaufmanns Best Buddy Ludovic Tézier als Scarpia. Wie immer gilt fürs Opern-Picknick, es kostet nichts, aber ein paar Regeln sind zu beachten: keine Glasflaschen, keine Hunde, keine Camping-Möbel, Klappstühle oder Luftmatratzen. Wenn dann alle trotzdem bequem sitzen um 19 Uhr, erklingen die berühmten, bedrohlichen ersten Takte, und Puccinis Opern-Thriller kann beginnen.

Opernfestspiele München, 28. Juni bis 31. Juli, Informationen unter www.staatsoper.de

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